Beten – das Gebet an sich

  

Es gibt heute viele Menschen, die meinen, keine Zeit zum Beten zu haben oder nicht beten zu können. Andere  wollen nur beten, wenn sie das Bedürfnis danach verspüren.

Mancher würde gerne beten, findet sich aber nicht in den herkömmlichen Formen des Betens zurecht. Hält er sich daran, muss er vielfach feststellen, dass er in dieser Gebetssprache sein Leben nicht mehr unterbringt. Setzt er sich  hin und will still sein, dann bricht in diese Stille alles ein, was ihn bewegt, was er arbeitet, woran er leidet. Oft findet er auch nicht die Ruhe, täglich zu beten.

 

Die Frage ist, ob Beten immer heißen muss: sich an Formeln halten, ein bestimmtes Pensum erledigen. In der Bibel gehört das Beten ganz selbstverständlich zum Leben, so selbstverständlich, dass es ursprünglich kein eigenes Wort dafür gegeben hat. Beten ist ein Rufen, Jubeln, Bitten, Flehen, je nach der Situation des Menschen.

 

Vielleicht sind manche Menschen dieser Art des Betens sehr nahe, ohne es zu wissen. Wenn sie in eine missliche Lage kommen, fangen sie an, sich gegen Gott aufzulehnen; wenn sie eine Zeitung lesen, fragen sie, wie Gott all das Leidvolle und Böse zulassen kann; und wenn sie glücklich sind, dann läuft ihnen das Herz über.

 

Wir Beter des Neuen Bundes dürfen als Kinder Gottes und als Brüder Christi zum Vater kommen, wie wir sind – in unserer inneren Hetze, in unserem Unvermögen, uns zu sammeln und die rechten Worte zu finden, mit unseren Schwierigkeiten und mit unserer Schuld. Aber nicht nur dieses Vertrauen kann unser Gebet tragen. Wenn wir beten, betet Christus im Heiligen Geist mit uns. Der Getaufte betet, wie wir es so oft sagen, „durch Christus unsern Herrn“.

Der volle Grund zum Beten ist für uns immer Gott selbst und sein Heilshandeln. Gott ist so, dass er verehrt werden muss;

wir sind so, dass wir Gott verehren, anbeten müssen.

Wem das Beten dennoch schwer wird, der sollte erst einmal versuchen, ohne Worte vor Gott zu verweilen. Er sollte lernen, ihm willig und vertrauend sein Inneres zu öffnen. Persönlich beten heißt ja, sein Leben zur Sprache bringen vor Gott: Ich weiß, dass ich mein Leben ausbreiten kann vor Gott – er stellt mich nicht bloß.  Ich weiß, dass ich zu ihm sprechen kann, wie mir gerade ums Herz ist – er versteht mich. Ich weiß, dass ich mich vor ihm nicht verstellen kann – er kennt mich. Ich weiß, dass ich zu ihm kommen kann, wann ich will – er ist mir nahe. Ich weiß, dass er mich zum Beten anregt und mein Gebet mit seiner Kraft trägt.

 

Gott braucht mein Gebet nicht, aber mein Leben braucht das Gebet. Gott weiß, was ich nötig habe. Im Gebet versuche ich, Gottes Willen zu erfahren und mein Leben daraufhin zu ändern. Wichtig ist nur, dass ich zu ihm gehe und dass ich glaube, in ihm zur Ruhe zu kommen und geheilt zu werden. Wenn ich das tue, erfahre ich immer wieder eine Korrektur in meinem Leben, finde wieder die Richtung und darf Hoffnung haben, dass mein Leben seinen Sinn und Ziel nicht verfehlt.

 

Mein Leben braucht das Gebet, das bedeutet auch, dass ich es nicht darauf ankommen lassen darf, wann mir nach Beten zumute ist. Es ist gut für uns, regelmäßig zu beten; und es kann eine große Hilfe sein, wenn wir für unser Gebet Formeln zur Verfügung haben; auch die Wiederholung gleicher Texte im Gebet des einzelnen und im Gottesdienst hat ihren besonderen Sinn. All dies ist auch Brauch der Kirche.

 

Der Christ hat nicht nur den Auftrag, für sich selbst zu beten;  betend wird er zur Stimme der Kirche in der ganzen Welt. Es ist gut, wenn wir uns im großen Chor der Beter wissen.

Gebet hat nicht die Absicht, die Welt aktiv zu verändern. Aber seine verwandelnde Kraft verändert den Menschen. Und solche Menschen werden bereit sein, die Welt nach dem Auftrag des Evangeliums zu verändern, bis sie in Gott vollendet wird.

 

Es gibt viele Formen des Betens: das Lob- und Dankgebet, in dem sich die tiefe Freude des Menschen über die Herrlichkeit Gottes und die Schönheit seiner Schöpfung ausdrückt – das Bittgebet, in dem wir erbitten, was wir brauchen, für uns und andere – das Buß- und Sühnegebet, in dem wir für uns und andere Gottes erbarmen erflehen – und das horchende Beten, in dem uns Gott zeigen kann, was wir von uns aus nicht sehen können – das betrachtende Gebet, in dem wir die göttlichen Geheimnisse aufnehmen und in uns wirken lassen – und das Gebet in der Gemeinschaft,  das uns in brüderlicher Liebe miteinander verbindet.

 

Der demütige Jean Marie Vianney, der oft Nächte hindurch betete, ließ sich in der Kunst des Betens nicht durch Bücher belehren, sondern durch einen alten Bauern. Dem Pfarrer von Ars fiel auf, dass der alte Mann stundenlang i der Kirche saß, ins Gebet vertieft, und dies offenkundig zu seinem allergrößten Vergnügen. „Was tun Sie da?“ fragte ihn der Pfarrer.

„Er schaut mich an – und ich schaue ihn an. Das ist alles.“ Antwortete der Bauer. Jean Marie Vianney, einer der größten Beter in der Geschichte des Christentums, hatte seinen Lehrer gefunden.

Es ist wichtig, Gott zu finden. Und er kann nicht im Lärm und in der Rastlosigkeit gefunden werden. Gott ist ein Freund der Stille. Wir brauchen Stille, um fähig zu werden, Seelen zu berühren...!

Findet man Gott, so ändert sich die ganze Orientierung des Lebens. Die Änderung des Bewusstseins hin zum Dasein als >Sein zum ewigen Leben<. Das Geschenk Gottes an alle Menschen, die sich dafür öffnen oder wenigstens nicht verschließen, heißt Gnade!

 

„Wer mich von ganzem Herzen sucht, von dem lasse ich mich finden.“

 

     Toni Marb

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